Liebe Indienfreunde
Es ist mir ein Anliegen, Ihnen über meine erneute Reise nach Mysore/Nadjangud zu berichten.
Die Hinreise war etwas turbulent, aber hat geklappt. Auf dem Flughafen in Kloten wurde ich darüber orientiert, dass mein Flug in Dubai noch eine Stunde früher abfliegen würde also 01.20 Uhr statt 2.20 Uhr. Da wir aber in Dubai selber mit dem Bus zu den Terminals gefahren wurden, wurde die Zeit immer knapper. Als ich nach dem Security-Check auf die nächste Rolltreppe rannte, begegnete mir eine Dame, die wohl das gleiche Gate aufsuchen musste. Zusammen kamen wir während unseres sportlichen Aufsuchen des Gates ins Gespräch. Sie musste auch nach Bangalore, da ihr Vater krank war. Sie selber lebt seit 15 Jahren in Basel. So war sie sehr überrascht, mit einer Swisslady nach Bangalore zu fliegen.
In Bangalore angekommen fühlte ich mich gleich wieder sehr zu Hause. Die Ankunft war unkompliziert und sehr professionell. Wider Erwarten wartete neben Harry auch Sr. Hilary auf mich. Die Überraschung war gelungen. Der Zufall wollte es, dass sie auf eine Beerdigung in Bangalore musste. So konnten wir uns auf der Fahrt ins Spital lange unterhalten.
Nach 5 Stunden Fahrt sind wir im Spital angekommen und alles war so vertraut und es fühlte sich sehr gut an. Mein Zimmer befand sich wie die letzten Male im Spital selber. Seit meiner letzten Reise sind bis auf zwei Schwestern alle noch da, auch der Arzt Dr. Rajinikant war da und sie alle begrüssten mich sehr freundlich. Die Müdigkeit war verschwunden und ich zog mich schnell um.
Natürlich musste der Betrieb im Spital weitergehen. Sr. Hilary machte sich an die Arbeit, um Patienten zu sehen. Ich ging ins Haus, um die Schwestern zu begrüssen. Sie alle freuten sich, mich da zu haben. Ich kann die Gefühle hier gar nicht beschreiben, es ist wie ein nach Hause kommen. Du fügst dich einfach in den Alltag aller Beteiligten im Spital ein. Geräusche, Gerüche und das Lächeln der Menschen, alles ist sehr vertraut.
In der Gegend um Mysore hat es in den letzten Monaten nie mehr geregnet. Es ist traurig zu sehen, wie alle Reisfelder verdorrt sind. Die Bauern haben somit fast kein Einkommen mehr. Sie zehren vom Ersparten. Kommt dann noch eine Krankheit dazu, ist dann das Geld bald zu knapp. Gerade in der jetzigen Zeit sind die Nächte oft kalt und die Menschen leiden an grippalen Infekten, hinzu kommt, dass das Wasser zum Teil auch ungeniessbar wurde und viele Patienten an Typhus erkrankt sind. Durch die schwierige Lebenssituation werden viele Einheimische depressiv und kommen ins Spital. Eigentlich ein Teufelskreis aus dem viele nur schwer herausfinden.
Während meiner Zeit im Spital war ich einerseits stiller Beobachterin und dann wiederum habe ich Injektionen verabreicht, EKG gemacht, Krankengeschichten gesucht und Verbände angelegt, sowie Blutentnahmen gemacht. Auf diese Art wurde ich ins Geschehen eingebettet und habe so viel über die Menschen mitbekommen.
Ich habe mit den Krankenschwestern Gazekompressen gefaltet und mich dabei über viele Dinge unterhalten.
Zwei der Krankenschwestern werden in Kürze heiraten und somit muss Sr. Hilary neue Mitarbeiter finden, was in dieser Gegend nicht leicht ist. Das Spital ist nicht so gross und Sr. Hilary kann auch nicht grosse Löhne bezahlen. Aber ich hoffe, dass sie gutes Personal finden wird.
Betreffend Operationssaal konnte ich leider keiner Operation beiwohnen, da keine vorgesehen waren. Bis jetzt wurden Hysterektomien, Mandelentfernungen, Blinddarmentfernungen vorgenommen. Es wurden auch schon Operationen von auswärtigen Patienten ins Karunalaya-Hospital verlegt, was ja ein gutes Zeichen ist.
Zusammengefasst, das Hospital läuft gut, durchschnittlich kommen zwischen 80 und 120 Patienten täglich. Zwei wichtige Dinge muss Sr. Hilary noch fertigstellen: Eine Rampe, welche vom Erdgeschoss in den 1.Stock führt, damit das Spital auch rollstuhlgängig ist und eine Überdachung für den Platz hinter dem Spital, um den Besuchern eine Aufenthaltszone im Schatten zu ermöglichen.
Bei den Destitutes (Streetangels, Engel der Strasse) sieht es so weit auch gut aus. Die Küche mit grossem Vorplatz ist fertiggestellt. Es ist nicht leicht, für jeweils 73 Personen zu kochen. Während meiner Anwesenheit wurden zweimal Mahlzeiten von Auswärts gebracht. (Festivitäten, Geburtstage).
Da die Bewohner nun auch immer älter werden und somit auch pflegebedürftig, braucht das Heim auch Betten. Bis jetzt konnten die Meisten auf dem Boden auf einer Matte schlafen. Für die Pflegebedürftigen sind Betten zwingend. Ein Teil unseres Geldes wird auch für solche Anschaffungen verwendet. Ein Bett wurde dem Spital von einer Pharmafirma gespendet. Alle Bewohner brauchen Medikamente, welche sehr teuer sind. Ohne diese Therapien wären diese Menschen kaum in der Lage, einem ruhigen geordneten Tagesablauf zu folgen. Einige haben mich noch erkannt und freuen sich immer, mich zu sehen. Jeder Tag verläuft ziemlich gleich. Das Frühstück und das Abendessen werden auf dem Vorplatz der Küche eingenommen, das Mittagessen wegen der Hitze im Haus. Einige der Bewohner sind in der Lage, kleine Aufgaben zu übernehmen, wie Teller und Becher nach dem Essen zu waschen, gewaschene Kleider zum Trocknen zu bringen oder die Hunde zu betreuen. Sie sind jedoch nicht in der Lage, sich selber zu beschäftigen. Sie sitzen oft in der Sonne und es ist die Aufgabe der Schwestern dafür zu sorgen, dass sie keinen Sonnenstich bekommen. Immer wieder müssen sie ermahnt werden, damit sie im Schatten sitzen. Eigentlich ist das ein trauriges Bild, aber diese Menschen würden sich ohne Medikamente wie Tiere benehmen, wir können uns das gar nicht vorstellen. Die Medikamente müssen immer wieder angepasst werden, sonst kann es passieren, dass sie davon laufen oder mit dem Kopf gegen die Wand rennen oder sich sonst irgendwie anders verhalten. Einige Male konnten die Schwestern Angehörige ausfindig machen, die sie dann zu sich holten. Das sind jedoch rare Glücksfälle.
Die Zeit mit den Schwestern war sehr kurz aber intensiv. Freud und Leid waren wieder einmal eng zusammen. Immer wurde ich mit einem Lächeln empfangen. Wir sind uns mit sehr viel Respekt begegnet. Ich habe sehr viele persönliche Momente in meinem Herzen festhalten können und dafür bin ich sehr dankbar. Dankbar für diese Freundschaft und das Vertrauen, das uns verbindet.
Am Schluss dieses Berichtes danke ich Ihnen allen für das Interesse und das Vertrauen, sowie die Unterstützung, die wir immer erfahren durften.
VIELEN DANK UND ALLES GUTE.
Jolanda Oberholzer
ONE WORLD-Mitarbeiterin